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Autor: Sven Stemmer

Mein Leben sei ein Fest der Belanglosigkeit

[Lesezeit ca. 6 min.] Neulich stolperte ich in einem Interview über den Satz, der Interviewte würde unter anderen Umständen vielleicht ein ganz belangloses Leben führen. Belanglos war hier abwertend als ‚unerheblich‘, ‚unwichtig‘ oder ‚überflüssig‘ zu verstehen. Und ungeachtet der Großspurigkeit hinter dieser Bemerkung, kam sie mir im Augenblick ganz falsch vor. Ich hatte das deutliche Gefühl, dass Belanglosigkeit durchaus sehr wünschenswert sei, was aber gleichzeitig eine Begründung verlangte. Was bedeutet es, wenn etwas ‚von Belang‘ oder eben ‚belanglos‘ ist? Das ursprüngliche ‚belangen‘ das unter anderem ‚ergreifen‘ und sich ‚sehnen nach‘ meinte, ist heute auf die Bedeutung ‚bestrafen‘ oder ‚zur Verantwortung ziehen‘ zusammengeschrumpft. Ein ‚Belang‘ ist aber noch immer ein ‚Interesse‘ und verwand mit dem englischen ‚belong‘, was man mit ‚angehören‘ übersetzen kann. Interessen und Sehnsüchte gehören so eindeutig zu einer Person, dass man sich ein recht gutes Bild von ihr machen kann, wenn man nur diese kennt. Freilich kann man auch die Auffassung vertreten, dass die Person ihren Sehnsüchten gehört. Dann sind es tatsächlich so etwas wie Süchte. Leidenschaften, denen man folgt, auch wenn sie Leiden schaffen. Der Buddhismus vertritt bekanntlich die These, dass man die Glückseligkeit erlangt, wenn man diese Leidenschaften aufgibt. Allerdings war mit der Rede von der ‚Belanglosigkeit‘ wahrscheinlich nicht das exotische und selbstgenügsame Leben eines buddhistischen Mönchs gemeint. Und das Gegenbild sollten vermutlich auch nicht die Leidenschaften einer dandyistischen Existenz sein. Nein, hier ging es...

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Sven Stemmer

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