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Ein schlimmer Tag

Ein schlimmer Tag

[Lesezeit ca. 3min.]

Ein besonders schlimmer Tag in der deutschen Geschichte, einer an den man nicht in gleicher Häufigkeit erinnert wird wie an andere Jahrestage, ist der 18. Februar.

Heute vor 79 Jahren ereigneten sich gleich zwei schreckliche Dinge.

Es begann am Morgen. Die Studenten Sophie und Hans Scholl betraten um 10:45 Uhr die Universität in München durch den Haupteingang. Sie hatten einen Koffer und eine Aktentasche gefüllt mit ihren Flugblättern dabei. Sie legten einige Stapel vor die geschlossenen Hörsäle und verließen das Gebäude in Richtung der Amalienstraße. Doch weil sie Angst bekamen, mit den übrigen Blättern im Gepäck aufgegriffen zu werden, kehrten sie noch einmal zurück und legten einige in den ersten Stock. Und dann warf Sophie Scholl aus dem zweiten Stock einen Stapel über die Brüstung in den Lichthof.

Das sah Hausmeister Schmid und hielt die beiden bis zum Eintreffen der Gestapo fest. Von da an trennten sie nur noch vier Tage von ihrem Tod unter der Guilloutine.

Hausmeister Schmid – Mitglied der SA seit 33 – wurde später von den Amerikanern verurteilt. Er wehrte sich gegen dieses Urteil, besonders gegen den Verlust seines Rentenanspruchs, mit der bekannten Melodie von der Pflicht, die er nur getan habe, denn es war ja schließlich verboten Flugblätter zu verteilen und der Inhalt habe ihn ja gar nicht interessiert. Gewinsel eines besonders rückratlosen Denunzianten, der sicher seine grausame Freude an der „Pflicht“ gefunden hatte.

Als der Abend dann hereinbrach betrat der Propagandaminister Goebbels die Bühne im Sportpalast und hub zu einer Rede an, die neben vielem wohl als Machtprobe mit seinem Führer verstanden werden muss, durch die er ihn auf eine besonders radikale Linie zwingen wollte. Vor allem aber wurde sie zu einem Lehrstück in der Psychologie der Massen, wie Goebbels sie bei le Bon gelernt hatte.

Zu einem Zeitpunkt an dem Lübeck, Köln und Essen bereits in Schutt und Asche lagen, die Schlacht um Stalingrad verloren war .. in einem Moment in dem jeder Opfer zu beklagen hatte, unter Kriegswirtschaft und Hunger litt und im Grunde jede Nacht mit einem grausamen Tod rechnen musste – zumindest in den großen Städten, als also das ganze Land unübersehbar und ungebremst auf eine vollständige Katastrophe zuraste, stellte er die Frage, >wollte Ihr mehr davon< - freilich in den Worten "Wollt Ihr den totalen Krieg?" Und 15.000 Zuhörer brüllen "Ja!" und bewiesen die unfassbare Beharrungskraft des reinen Irrsinns.   Der Mensch als Masse ist die größte Gefahr seiner selbst, ganz gleich ob er sich im Rausch der Großveranstaltung aufzulösen scheint oder als serviler Zuträger und Denunziant auf der Schleimspur seiner jeweiligen Ideologie oder des gerade aktuellen Zeitgeists herumkriecht. So wird er, wenn er seine ihm eigene Verantwortung (und damit seine Würde) ablegt und das Denken von anderen besorgen lässt. Das ist das banal Böse des Knechtssinns und Untertanengeistes. Darum ist es niemandem erlaubt zu gehorchen. Jeder ist verantwortlich für sein Tun. Ich hatte früher geglaubt, diese Lektion wäre in Deutschland gründlich gelernt worden. Der Zweifel daran fühlt sich wirklich furchtbar an.

Sven Stemmer

Arnold Welsch

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