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Abends am Feuer…

Abends am Feuer…

… das Gewässer indes bleibt zur Wahrung der Konspiration geheim …

Sie wollen leben, wie es ihnen gefällt. 

Der neue Kurs im Lande ist ihnen nicht geheuer. Sie wollen frei sein, unter anderem mit Gesang und Gitarrenspiel. 

Mit ihrer Kleidung nehmen sie es nicht so genau, zumindest, was die Maske angeht, ganz offen tragen sie ihr Antlitz zur Schau.  

Und das braucht Mut: Denn das einigermaßen diskret avisierte Treffen wird sogleich von Polizei und Ordnungsamt durchkreuzt, die auffällig nach Studenten fragen, die sich versammeln wollen. Man muss sich eilends auf einen alternativen Treffpunkt verständigen. 

Dort wird ein heimliches Feuer entfacht. Es gibt Stockbrot und Gitarrenlieder. Stets wird ein wachsames Auge auf das Dunkel gerichtet, das sie umgibt. Nicht, dass unerwünschtes Gesindel seinen Weg ins konspirative Rund bahnt. 

Die Parallelen zu historischen Vorbildern sind für geschulte Augen unverkennbar. Unbedarftere sind nach dem hämischen Spott von kulturellen Größen wie Jan Böhmermann sicherlich und verständlicherweise verunsichert. Jener ließ 2020 seinen Sermon über „Jana aus Kassel” niedergehen, als sie sich traute, einen freilich etwas geschichtsnaiven Vergleich zu Sophie Scholl anzustellen. 

Ein Kritiker mag einwenden, dass auch der Vergleich mit der widerständigen Jugendbewegung in braunen Zeiten etwas gewagt wäre.

Aber der Vergleich hält dem stand: Die selbst gewählte Form, die musische Betätigung, um dem oktroyierten Konformismus zu entgehen, weisen Authentizität aus. Und illegal sind die Zusammenkünfte ohne jeden Zweifel; entdeckt zu werden, hat Repressionen mit dem Potential zu Gewalt durch Schlägertrupps, zumindest aber Platzverweise und Ordnungswidrigkeitsverfahren zur Folge. Dies ist inzwischen medial hinreichend belegt. 

In Zeiten, wo Flaneure kriminalisiert werden – spätestens(!) hier –, darf sich freiheitlich gesinnte Konspiration guten Gewissens mit dem vor allem bürgerlich getragenen Widerstand in der (beginnenden) NS-Zeit verbunden fühlen: Auch die hier versammelte Klientel ist zutiefst bürgerlich. Einigen wird ihr bürgerliches Milieu in der Konspiration erst richtig bewusst. Man ist daran interessiert, Lebenswertes zu bewahren – ohne Fremdregiment. Eigentlich richtig bürgerlich-konservativ. Mit Willen zum Gestalten. 

Und das gab es auch schon viel früher:

Die Freideutsche Jugend will nach eigener Bestimmung, vor eigener Verantwortung, in innerer Wahrhaftigkeit ihr Leben gestalten. Für diese innere Freiheit tritt sie unter allen Umständen geschlossen ein.“ (Meißner-Formel 1913)

Die Konspiranten, freilich, sind sich ihres gewichtigen Erbes meist gar nicht bewusst – ihr Wirken und dessen Strahlkraft dagegen ist zeitlos, aus dem einfachen Grund, dass die zugrundeliegenden Motive zutiefst menschlichen Bedürfnissen wie Geselligkeit, Freude und Schönheit entspringen.

Aus dem Erlebten wünsche ich mir noch mehr Mut und Originalität, um sich mit der Schönheit des Sprechens und es Handelns gegen die groteske Hässlichkeit unserer Zeit zu stellen.

Sven Stemmer

Arnold Welsch

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