Seite auswählen

Märchenland ist abgebrannt …

Märchenland ist abgebrannt …

[Lesezeit ca. 5 min.]

… beziehungsweise abgeholzt, was indes kaum ein Trost sein kann. Aber beginnen wir am Anfang … vielleicht mit „Es war einmal“? Es waren einmal … zwei Brüder, die spürten eine große Liebe zu Land und Leuten, zu ihrer Sprache und ihren Geschichten. Und so machten sie sich auf, um an den Rauchfängen und Spinnrädern, an den Dorflinden und Brunnen, an den Schäferkarren, Köhlerhütten und Forsthäusern die Märchen von den Lippen der alten Weiber, der Milchmädchen, Hirten und Holzfäller zu lesen und in einem Buch zu sammeln.

Und dieses Buch der beiden Brüder gelangte in die Welt, berührte von Hong–Kong bis Hollywood viele Menschen und inspirierte manche gar zu eigenen Werken.

Die Märchen rankten sich oft um Plätze oder Gebäude in der Nähe der Orte, an denen sie erzählt wurden und obwohl sie eigentlich über allen Orten und Zeiten stehen, lassen sich doch die Burgen, Haine, Hütten und Brunnen finden, an die ursprünglich gedacht wurde.

In Trendelburg steht ein hoher Turm, aus dessen hohem Fenster ein langer, blonder Zopf hängt und nicht weit davon findet sich im Reinhardswald ein Schlößchen, das zu ausgedehnten Nickerchen verführen soll … schön ist es dort … nicht zuletzt, weil der Reinhardswald ein besonders intaktes Waldgebiet ist, das uns an manchen Stellen ahnen läßt, wie es hier in den tiefen Urwäldern vergangener Jahrtausende gewesen sein mag. Man lernt wieder gehörigen Respekt vor dem bösen Wolf und will rasch nach der Großmutter schauen. Entlang der Weser schlägt das kulturell – mythische Herz des deutschen Sprachraums. Hier zeigt sich unsere Kultur und Geschichte von einer ihrer schönsten Seiten.

Da aber ein Zuviel an Schönheit nur zu Unbefangenheit und Selbstachtung führt – was seit jeher Herrschaft und Verwaltung behinderte, erfährt diese Landschaft nun – auf Beschluß der hessischen Landesregierung (schwarz-grün) – eine zeitgemäße, technologische Korrektur. In den Reinhardswald werden auf Windwurfflächen demnächst zwanzig Windkraftanlagen gerammt – was in mir einen Gedanken allgemeiner Art über die Häßlichkeit weckt. Ich meine nicht die unübersehbare Mönströsität der schnell rotierenden Klingen, zu der wahrscheinlich auch Don Quichote nichts mehr einfallen würde. Vermutlich braucht man das ästhetische Empfinden eines alten maoistischen Kämpfers mit gewissen Sympathien für Gewalt – oder zumindest der Neigung kaputt zu machen, was man nicht gut findet, um diesen Dingern etwas abzugewinnen. Nein, ich meine die Häßlichkeit, die aus tiefer Unaufrichtigkeit entspringt: Es gibt eine mächtige Erzählung zur Rolle des Kohlendioxids in der Entwicklung des weltweiten Klimas. Und wenn wir einmal annehmen, daß diese Erzählung zutreffend ist (auch wenn es mehr als eine fundierte Meinung dazu gibt – aber das soll hier nicht Thema sein), muß man zu dem Schluss kommen, daß Windräder rein gar nichts zur Klimarettung betragen können, da für ihre Erstellung so viel CO² freigesetzt wird, wie sie vielleicht in ihrer gesamten Betriebsdauer wiederum einsparen können. Es ist ein Nullsummenspiel. Im Wald kommt nun hinzu, daß eine Anlage etwa sieben Hektar gerodete Fläche benötigt. Ein Hektar Wald bindet am Tag etwa 16,5 kg CO². Das sind etwa 6.000 kg pro Jahr. Das macht 42.000 kg pro Anlage und etwa 840.000 kg für den geplanten Park. Das bedeutet in den achtzehn Jahren, in denen die CO² Bilanz der Anlagen negativ bleibt, werden 15.120.000 kg CO² nicht durch den Wald gebunden. Es gibt noch weitere Probleme. So werden jedes Jahr vermutlich 16.000 Greifvögel und 250.000 Fledermäuse von den Anlagen in Deutschland zerstückelt. Ja, ich höre den Einwand, daß dann ja Berge solcher Leichen unter den Rädern liegen müßten. Das ist erkennbarer Unfug. Wir haben über dreißigtausend Windkraftanlagen im Land, d.h. Nur jede zweite muß pro Jahr einen Greifvogel töten (bzw. jede neun Fledermäuse) um diese beeindruckende Zahl zu erreichen. Und wenn so ein Tier von einem Rotorblatt mit 120 km/ h erwischt wird, dürfte sein Kadaver – wenn überhaupt etwas übrig bleibt – kaum unter der Anlage liegen. Vielleicht wollen wir auch noch über Insekten sprechen; die werden ja zunehmend vermisst. Vor allem die Fluginsekten. Man kann an den Schwalben im Sommer schön sehen, wie hoch ihre Beute bisweilen fliegt. Neben monumentalen Maismonokulturen (zur Biogasgewinnung), die für solche Geschöpfe die reinsten Todeszonen sind, tragen die Mühlen sicher das ihre zum Insektensterben bei. Ich frage mich auch, ob die großen Windparks nicht ihren Anteil an den trockeneren Mikroklimata haben. Solche Fragen darf man ja nicht wirklich stellen – aber da die Zahl der Anlagen in diesem Land verzehnfacht werden soll – der Herr Habeck (großer Freund der Wölfe) will dafür eigens die Naturschutzgesetze umschreiben – können wir vermutlich bald beobachten, welche Trends sich verstärken. Es bleibt die Hoffnung, daß eines Tages das alles wieder abgebaut wird. Schade, daß die Anlagen dann Sondermüll aus einem nicht recyclebaren Verbundstoff sind.

Vielleicht fragt sich nun jemand, warum so etwas gemacht wird, wenn es doch nicht hilft. Ich denke die Antworten sind in den gesellschaftlichen Regelkreisen zu finden, in denen sich verschiedene Gruppen Mandate, Aufträge und Ansehen zuschieben. Welche Parteibücher mögen wohl Windkraftbetreiber haben? Ansehen, Macht und Geld sind sehr starke Motivatoren und wenn es dem eigenen Fortkommen dient, ist Aufrichtigkeit verzichtbar.

Und diese Unaufrichtigkeit ist von so kapitaler Häßlichkeit, daß mir nur mehr wenig dazu einfällt. Ich verstehe, daß man sich in seinem Leben Erfolg in dem ein oder anderen Bereich wünscht und sogar, daß man den ein oder anderen faulen Kompromiß eingeht. Aber daß man die Wahrhaftigkeit so fundamental auslöscht, verstehe ich nicht. Ich möchte solche Menschen nicht sehen, nicht hören und schon gar nicht, daß sie in diesem Land irgendetwas zu bestimmen haben.

Hvalsey, katholische Wikingerkirche auf Grönland um 1300.

Das Klima erwärmt sich. Wie lange und wie weit erwarte ich indes nicht von einer Wissenschaft zu erfahren, die nicht für zwei Wochen lokales Wetter vorhersagen kann. Wir sprechen beim Klima von einem offenen, nicht linearen System. Das kann man nicht berechnen. Aber ja, es erwärmt sich das Klima. Im Moment gerade so weit, daß die grönländischen Gletscher langsam die Wikingerhöfe des Bistums auf Grönland wieder frei geben, die sie im Mittelalter verschlungen hatten. Und wenn es unser erklärtes Ziel sein soll, das zu stoppen und wenn das über die Vermeidung von CO² versucht werden soll, könnte eine dezentrale (bezahlbare) Energieversorgung mit kleinen Thorium-Flüssigsalzreaktoren eine Lösung sein, die wir allein schon deshalb versuchen sollten, um unseren bisherigen Atommüll zu etwas weit weniger Schädlichem zu verstoffwechseln. Eine Lösung, die eine angstfreie und zufriedene Bevölkerung zur Folge haben könnte, aber … die das zu entscheiden haben, sind in ihrer Position, weil sie sich mit hysterischen Panikkampagnen an die Macht gebracht haben. Für den Machterhalt und den Griff tief in den Beutel der Subventionen (und damit in unsere Taschen) bedarf es ängstlicher und verunsicherter Menschen.

So wird alles vermutlich weiter seinen schädlichen und schändlichen, zerstörerischen Gang gehen, indes … wenn man an die Mauern der Sababurg gelehnt dem Rauschen des Windes in den Baumkronen und den kleinen schwarzen Abendvögeln lauscht, klingt da eine Hoffnung mit, daß sich solche finden mögen, die – wie es im Märchen heißt – reinen Herzens sind. Wahre Löwenherzen, die sich der Profitgier und Unaufrichtigkeit … eben der gesammelten Häßlichkeit dieser Welt entgegenstellen.

Sven Stemmer

Arnold Welsch

de_DEGerman