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Autor: Sven Stemmer

Wo geht’s nochmal zum Wohlgefallen?

[Lesezeit ca. 2,5 min.] Haben wir eigentlich noch einen Lockdown? Auf Deutsch sagte man wohl Ausgangssperre (das Wort zeigt, warum man lieber das nicht so verständliche Fremdwort benutzt – nagte doch sonst hartnäckig die Frage, wer mir eigentlich den Ausgang sperren dürfe – und warum? Gefahr des Denkens durch Unverständlichkeit gemildert!). Meine Frage ist aber durchaus ernst gemeint. Da ich keine Nachrichten konsumiere, geht vieles des Spektakel an mir vorüber. Als ich so aus meinem Fenster blickte und dem Frühling bei der Weigerung beobachtete, der globalen Erwärmung zu folgen, kam mir diese Frage. Und auch der wievielte Lockdown das...

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Nachtflug

Eigen ist die Stimmung der Nächte, die sich in Zeiten der Ausgangssperre über das Land legen. Merkwürdiges ist zu sehen, wenn man den Nachtflug wagt und sich auf die Straße begibt. Die Luft ist kühl und duftet nach Gras und Tau. Mag es auch die Nacht zwischen zwei freien Tagen sein, kein Mensch ist unterwegs. Kein Auto, das entgegen kommt. Kein Spaziergänger und auch hinter den meisten Fenstern ist es dunkel. Du fährst durch endlose Alleen, deren Bäume gleichgültig die Kronen in den schwarzen, ungestirnten Himmel recken. Das Rauschen der Blättern hebt an und klingt nach Abschied… nur wovon?...

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Steine mahnen

[Lesezeit ca. 2,5 min.] Seit dem späten Mittag beschossen die Franzosen den Gutshof La Haye Sainte mit den Haubitzen ihrer schweren Artillerie. Die Luft war erfüllt von Pulverdampf, vom Staub aufgewirbelter Erde und den Schreien der Sterbenden und Verletzten. Die 3. leichte Division der King’s German Legion schmolz unter dem Blick ihres Kommandeurs dahin, bis von den vormals 400 Mann nur noch 42 den Hof mit ihren Gewehrkolben verteidigten. Es war 18.00 Uhr als sich Wellingtons Männer zurückzogen, doch die Franzosen waren zu spät, denn – wie der Duke gehofft hatte – die Preußen waren gekommen. Der zwanzigste April...

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Das richtige Messer finden

[Lesezeit ca. 5 min.] Ich lasse mich gerne durch literarische Vorbilder inspirieren. Es muß nicht immer Spitzenliteratur sein. Seichte Unterhaltung, wie die Brunettikrimis, tuts manchmal auch. Ich erinnere mich, daß in einer Geschichte Brunetti einen Supermarkt betritt und sich befremdet fragt, wie man an einem Ort, an dem Orangensaft in den gleichen Flaschen wie Putzmittel angeboten wird, nur seine Nahrung kaufen könne. Ich musste ihm – durchaus beeindruckt – recht geben, kam aber schnell zu dem Schluß, daß es einfach zu teuer wäre, meinen Bedarf nur in Fachgeschäften und auf dem Markt zu decken. Dabei ist es ein Elend....

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Großartiges Panoptikum schrecklicher Zeit

[Lesezeit ca. 3 min.] Vielleicht sollte ich gar nicht erst versuchen, den Eindruck zu erwecken, ich beurteilte das Essay „Jeder schreibt für sich allein“ von Anatol Regnier mit kühler, intellektueller Distanz, die mich zu jener leicht näselnden Blasiertheit befähigt, die ich gelegentlich ganz gerne inszeniere. Vermutlich wird meine Begeisterung über diesen Text ohnehin aus jeder Zeile tropfen. Also kann ich auch gleich bekennen: Ich finde das Buch gut. Eigentlich finde ich es sogar sensationell, aber es heißt ja, man solle sich mit solchen Adjektiven zurückhalten. Regnier zeichnet mit seinem Werk das Portrait jener Zeit, die man rückblickend gewiss als...

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Sven Stemmer

Arnold Welsch

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